Archiv der Kategorie: Sendungen

235 Leben ohne zu warten Teil 1

„Weder einer Partei noch einer Gruppe zugehörig. Außerhalb. Wir gehen – als Individuen, ohne den rettenden und blind machenden Glauben. Unser Ekel vor der Gesellschaft bringt keine unabänderlichen Überzeugungen hervor. Wir kämpfen aus der Freude am Kampf und ohne den Traum einer besseren Zukunft zu träumen. Was geht uns das Morgen an, das erst in einigen Jahrhunderten sein wird? Was gehen uns die Großneffen an! AUSSERHALB aller Gesetze, aller Regeln und aller Theorien – sogar der anarchistischen -, vom jetzigen Augenblick an, sofort, wollen wir uns unseren Gefühlen des Mitleids und des Zorns, unserer Wut und unseren Instinkten hingeben – mit dem Stolz, wir selbst zu sein.“ (L’Endehors No.34 – 27.12.1891)

In der Reihe 17grad Vorgelesen präsentieren wir heute, mit freundlicher Genehmigung von Hanna Mittelstädt (Nautilus/Nemo Press) – den 1. Teil von „Leben ohne zu warten – von Mazas nach Jerusalem“ von Zo d’Axa.

234 Rassismus für den gehobenen Bedarf (Teil 2)

Photo: Engine Akyurt

Wolfgang Pohrts Autorenleben war eine Art Wippe oder ein Pendel: Man schreibt über das, was los ist – auch in den Köpfen –, es hilft aber nichts, also untersucht man, woher es kommt, dass das Drüberschreiben nichts hilft, publiziert das Resultat, findet abermals kein Echo und so weiter. 

Der stete Wechsel von Zergliederung der Phänomene und Angriff auf sie macht natürlich das stärkste Pferd kaputt. Das gilt besonders, wenn die Arbeit eben doch nicht komplett ignoriert wird, sondern beispielsweise in Hermann L. Gremlizas linker Monatszeitschrift „Konkret“ erscheint und beim vergleichsweise kleinen, aber nicht maulfaulen Publikum dieses Magazins teils Entsetzen und Abscheu, teils Bewunderung und Beifall auslöst, wie die Leserbriefe der fraglichen Zeit belegen. 

Nichts davon konnte Pohrt entschädigen für die immer deutlicher hervortretende Tendenz des Gesamtsozialen zum Zerfall in verrückte und verdummte Trümmer, letztlich in einzelne Irre. Diesen Zerfall nahm Pohrt nicht nur wahr, er konnte ihn auch erklären, ohne ihn im Geringsten be- oder gar verhindern zu können …

2. Teil des Vorworts von Dietmar Dath zum Band  „Rassismus für den gehobenen Bedarf“. Musikalische Begleitung: Alice Phoebe Lou, The Kills, boygenius, Johnny Flynn, Billie Eilish, Punch Brothers, Dry Cleaning.

232 Rassismus für den gehobenen Bedarf

Photo by Dollar Gill on Unsplash
Photo: Dollar Gill

Der Ende 2018 verstorbene Autor Wolfgang Pohrt war Zeit seines publizistischen Schaffens ein scharfer Kritiker antiamerikanischer und antisemitischer Tendenzen in der Linken. 

Seine Polemiken gegen die ideologischen Irrwege linker Wohlfühlmilieus waren nicht selten harter Tobak und er kannte dabei, wie man so schön sagt, keine Verwandten. Stets in gewissem Sinne unterhaltsam aber nicht immer gänzlich nachvollziehbar prügelte er auf Szenen und Gruppen ein, die er für politisch verblendet oder einfach irre hielt. 

Mit der nötigen selbstreflexiven Distanz sind weite Teile seiner Artikel und Vorträge auch heute noch überaus erhellend. 

Der Berliner Verleger Klaus Bittermann sorgt mit seiner „Edition Tiamat“ derzeit für die Wiederveröffentlichung einer ganzen Reihe von Pohrts Vor- und Beiträgen.

In seinem jüngsten Band „Multikulturelle Gesellschaft & Rassismus für den gehobenen Bedarf“ dokumentiert Bittermann zwei Vorträge von Wolfgang Pohrt aus den Jahren 1989 und 92.

Eingeleitet werden die zwei Vorträge in dem Buch von einem umfangreichen Vorwort des Publizisten Dietmar Dath, der den politischen Kontext der Texte einordnet, hilfreiche Ideologeme benennt und an diversen Stellen gleichsam argumentative Fallen kritisiert. 

Da Dath seinerseits ein scharfer Kritiker der deutschen Zustände und durchaus kein fauler Schreiber ist, besteht der genannte Band zu einem Drittel aus eben diesem Vorwort. 

Und dieses, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wollen wir Ihnen in dieser Sendung an die Hand geben bzw. an den Kopf werfen.

Es werfen mit: illuminati hotties, Mannequin Pussy, Melt-Banana, Black Flag, New Bomb Turks, Slaves, Idles, JOHN.

231 Dreihundert Meter

Am 27.06.2001 wurde in Hamburg Süleyman Taşköprü Opfer eines rassistischen Mordes.

Süleyman Taşköprü ist das dritte der zehn bekannten Mordopfer des NSU, jenem rechtsterroristischem Netzwerk, welches bis zu seiner Selbstenttarnung 2011 außerdem für 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich zu machen ist.

Auch nach dem Ende des Prozesses gegen Beate Zschäpe und einige wenige NSU-Unterstützer sind weder die Hintergründe der Tat noch der NSU-Komplex aufgeklärt, und viele Fragen bleiben offen.

Die von institutionellem Rassismus geleiteten Ermittlungen der Sicherheitsbehörden, die falschen Verdächtigungen der Polizei und deren unkritische, stigmatisierende Übernahme durch die Medien, sowie die bereitwillige Akzeptanz dieser Erklärungen durch die Gesellschaft, machen deutlich, dass wir beim Thema Nationalsozialistischer Untergrund nicht allein von staatlichem Versagen sprechen müssen, sondern von einem gesellschaftlichen.

Auch in Hamburg muss ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, wie er bislang von der Hamburgischen Bürgerschaft verweigert wurde. Im Zuge dessen müssen auch die Akten des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz und die Verstrickungen in die Szene mit V-Personen offengelegt werden. Die Familie Taşköprü muss für die institutionell rassistischen Ermittlungen und die erlittene Rufschädigung angemessen von der Stadt Hamburg rehabilitiert und entschädigt werden. Zukünftig müssen Polizei und Staatsanwaltschaft bei Gewaltverbrechen gegen Migrant_innen und People of Color von einem rassistischen Hintergrund ausgehen bis das Gegenteil bewiesen ist.

Im Folgenden hört Ihr ein Interview, das wir mit Caro Keller von NSU-Watch geführt haben.

In Gedenken an Süleyman Taşköprü, ermordet vor 20 Jahren durch den NSU.

230 Design Thinking

Ihre Bedürfnisse, liebe Zuhörerinnen gleich welchen Geschlechts, haben wir mit den Werkzeugen des so genannten Design Thinkings erhoben, ausgewertet und daraus eine Struktur erarbeitet, mit der wir in Zukunft unsere Sendungen gestalten werden. Allen, die daran teilgenommen haben an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

Und da wir uns im Zuge dieses Lernprozesses zur Transparenz verpflichtet sehen, wollen wir Ihnen die wirklich spannenden Ideen des Design Thinkings in dieser Sendung vorstellen.

An den Workshops haben zudem teilgenommen: Lewsberg, Kate Nash, Death in Vegas, Angus & Julia Stone, Dry Cleaning, Stereolab, Sophie Zelmani und The Chicks.

229 Kleine Ortskunde

Ihr geht raus, ins Freie. Schlagt aufs Geratewohl eine Richtung ein und schlendert ziellos durch die Gegend. Ihr lasst euren Blick schweifen. Lauter Orte: Hier ein Haus, da eine Straße, dort eine Grünanlage. Dies ist der öffentliche Raum.

Der eine Ort darin ist bedeutungslos, ein anderer wiederum steckt voller Bedeutung; der eine Ort nur für euch wichtig, ein anderer Symbol für das Gute, Schöne und Wahre – oder für Niedertracht, Lüge und Völkermord.

Der öffentliche Raum ist voller Symbole und Erinnerungen. Diese sind teils ohne unser Zutun gewachsen, teils gezielt geschaffen worden: durch das Anbringen von Informationstafeln, durch das Errichten von Denk- oder Mahnmälern, durch den Wiederaufbau von Gebäuden oder die Rekonstruktion eines Ortes.

Wie umgehen mit Orten der Erinnerung? Viel Vergnügen bei unserer „Kleinen Ortskunde“ wünschen die Raumdeuter_innen von 17grad.

Die Musik-Passagen stammen vom Album „Music from a Frontier Town“ von Michaela Melián.

228 Ökonomie und Nonsens

Quelle: Unsplash, Fabian Wohlgemuth
Foto: Fabian Wohlgemuth

Zum Ausklang des vorangegangenen Jahres wurden – wie es sich seit Dekaden gehört – in den bürgerlichen Medien Jahresrückblicke verfasst, feuilletonistische Bestenlisten vorgestellt, die erstaunlichsten Dinge der letzten 12 Monate und die Sportler*Innen des Jahres gekürt.

Manchmal, aber nur manchmal, ragt ein Rückblick aus der Flut der retrospektiven Veröffentlichungen heraus.

In der Süddeutschen Zeitung zog deren Wirtschaftsredakteur Karl-Heinz Büschemann kurz vor Weihnachten ein Fazit des Covid-Jahres 2020, das man für die Dezember-Titel-Story der Zeitschrift Titanic hätte halten können.

Musikalische Begleitung durch: El Michels Affair, Siea, Gaye Su Akyol, Sudan Archives, Izabo, Cut Chemist, HaBonot Nechama

227 Conspiracy Theory

„Wenn mit anderen Worten eine so offensichtliche Fälschung wie die Protokolle der Weisen von Zion von so vielen geglaubt wird, dass sie die Bibel einer Massenbewegung werden kann, so handelt es sich darum zu erklären, wie dies möglich ist, aber nicht darum, zum hundertsten Male zu beweisen, was ohnehin alle Welt weiß, nämlich, dass man es mit einer Fälschung zu tun hat.“ (Hannah Arendt)

Mit Musik vom Label Amphetamin Reptile Records.

226 Fremde Arbeit, deutscher Lohn

Institutioneller Rassismus ist nie allein ein Rassismus der Institutionen. 

Die Wirkmächtigkeit gesellschaftlicher Überlegenheitsvorstellungen in all ihren Schattierungen speist sich auch aus tradierten Vorstellungen der politischen Subjekte – und damit aus dem Wechselspiel von Bewusstsein und den individuellen und kollektiven Rahmenbedingungen des Seins. 

Wir werfen in dieser Sendung einen historisch-materialistischen Blick auf den hiesigen Umgang mit Kolonial-, Fremd-, Zwangs- und Gastarbeit; und damit auf Spezifika des deutschen Rassismus. 

Mit uns untersuchen diesen Gegenstand: Ahadadream, Nneka, Arat Kilo, Symbiz & Awa, Nubiyan Twist, Kokoko! und clipping.

Eine digitale Kopie des genannten Blaubuchs kann über unseren Server eingesehen oder heruntergeladen werden: blaubuch.pdf (33,6 MB)

O-Töne aus dem Videomitschnitt: COLONIAL REPERCUSSIONS – Panel „Crimes committed by colonial Germany against the Herero and Nama“, Akademie der Künste, Berlin (January 2018)