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275 Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Entscheidung

Viele mögen gerade grübeln, wem Sie ihre Stimmen bei den anstehenden Bundestagswahlen geben sollen oder, ob sie überhaupt an dem gesamten Vorgang teilnehmen möchten. 

Die Zeiten, als es in linken Milieus en vogue war, die Option Wahlboykott unter dem Motto „wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“ in Erwägung zu ziehen, scheinen längst vorbei. 

Und für die Älteren unter Ihnen, die diese Zeiten noch miterlebt haben, hat sich die Sinnhaftigkeit des nicht oder ungültig Wählens gegebenenfalls auch nicht konserviert. 

Schon damals war diese politische Haltung durchaus von einem gewissen dichotomischen Weltbild geprägt: die da oben machen eh, was sie wollen, warum sollen wir uns dann an einer pseudodemokratischen Legitimationspraxis beteiligen? 

Diese Haltung machte allerdings nur dann Sinn, wenn man mit dem Werben für das Ignorieren des Wahlzirkus‘ gleichzeitig eine gesellschaftspolitische Veränderungsperspektive verband. Der revolutionäre Umsturz der Verhältnisse ist aber bekanntermaßen ausgeblieben.

Eine Sendung zur Wahl, die einem von der politischen Klasse wirklich nicht leicht gemacht wird.

Den musikalischen Teil des Ambivalenzrahmens gestalten: Aynur, Dubioza Kolektiv, Khruangbin & Leon Bridges, Les Filles de Illighadad, Baloji & Mayra Andrade, Lizz Wright, Beyoncé & Dolly Parton.

274 Der Verrat der Linken an den progressiven Migranten

YOGA Schild

Über die Linke kann man derzeit nur den Kopf schütteln. Wobei der Begriff „Linke“ selbstverständlich keinen monolithischen Block meint. Diese „Linke“ ist natürlich eine Ansammlung höchst unterschiedlicher Gruppierungen, Denkschulen, historischer Entwicklungen und Personen. Schon klar. 

Wir reden in dieser Sendung also über den in diesem Sinne ideologischen Mainstream und die Diskurse, die gemeinhin dem Attribut „links“ zugeordnet werden.

Eines der lesenswertesten Bücher in diesem Kontext ist der von Vojin Saša Vukadinović herausgegebene Sammelband „Siebter Oktober Dreiundzwanzig“, erschienen im Berliner Querverlag. 

Der Literatur- und Kulturwissenschaftler Marco Antonio Cristalli hat den dieser Sendung zugrunde liegenden Beitrag unter der Überschrift „Wie die Linke uns tatsächlich progressive Migranten verraten hat“ verfasst.

Die folkloristischen Gesangsdarbietungen stammen von: Sir Psyko and his Monsters, HorrorPops, Sick Sick Sinners, The Hellfreaks, Kitty In A Casket, Razorblade, Boneyard Rumble.   

271 Rote Grütze

Wer derzeit linke Diskurse im Internet verfolgt oder politische Plakate in manchen Vierteln deutscher Großstädte betrachtet, könnte meinen, die 1980er-Jahre seien zurück. 

Von »nationaler Befreiung« ist dort die Rede und dem Kampf der »Völker« gegen den Imperialismus. Das ‚Volk‘ ist zurück, ein Bezugspunkt, der in Teilen der Linken schon als überwunden galt. Doch warum hat die Terminologie des klassischen Antiimperialismus aktuell Konjunktur? 

Dieser Frage widmet sich der Soziologe, freiberufliche Journalist und 
Autor des Buches »Kritik des Nationalismus«, Thorsten Mense, in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift iz3w unter der Überschrift „Rückkehr der Völker“. 

In dem ersten Teil der heutigen Sendung lassen wir Sie an Thorsten Menses Einschätzungen teilhaben. Im zweiten Teil wollen wir uns dann basierend auf einem Beitrag von Christopher Wimmer in derselben Ausgabe mit der derzeitigen Situation der Selbstverwaltung in Rojava beschäftigen. Das dem Beitrag zugrunde liegende Buch findet sich unter: https://edition-nautilus.de/programm/land-der-utopie/

Es begleiten uns dabei: Hüsker Dü, Dead Boys, Fear, Beefeater, New Bomb Turks, Butthole Surfers, Dwarves, Minor Threat, Kultur Shock, Adolescents

269 Insanity

Immer häufiger hören wir aus unserem sozialen Umfeld, dass von uns durchaus geschätzte Personen Nachrichten, gleich welcher Art und gleich durch welches Medium übermittelt, konsequent ignorieren bzw. den Konsum jeglicher Meldungen komplett eingestellt haben. Sie halten den globalen gesellschaftlichen Irrsinn, der dort vermeldet wird, nicht mehr aus, so die übereinstimmende Begründung. 

Auch wenn wir diese Form des Eskapismus grundsätzlich nachvollziehen können, diskutieren wir in unserer Redaktion doch immer noch das globale und manchmal auch lokale Geschehen. Als abgebrühte Misanthropen und professionelle Schwarzseher müssen aber auch wir gestehen, dass so einiges an den weltweiten Entwicklungen und Vorkommnissen selbst uns irritiert zurück lässt. 

Nehmen wir zum Beispiel die jüngste Adidas-Kampagne für den neuen Retro-Sneaker SL 72. Er sollte an die Olympischen Spiele 1972 erinnern und die Inhouse-Marketingabteilung fand es eine gelungene Idee, diese Erinnerung unter anderem durch die Markenbotschafterin Bella Hadid auszudrücken. Die Journalistin Marlene Knobloch hat in der Süddeutschen Zeitung zu diesem Irrsinn einen höchst anständigen Artikel verfasst…

Kopfschüttelnd mischen sich darüber hinaus ein: Meridian Brothers, Mare Advertencia Lirika & Tayhana, Young Miko & Jowell & Randy, BADSISTA, Karen y Los Remedios, Ali Kuru und Toy Selectah.

Quelle: Jilbert Ebrahimi

Bild: Jilbert Ebrahimi

266 Israelische Realitäten seit dem 7/10 – Vortrag von Oliver Vrankovic

Auch wenn wir in den Sendungen der Redaktion 17grad gemeinhin versuchen, die Waage zwischen stimmiger Musik und ebensolchen Textbeiträgen zu halten, kann dies nicht bei jedem Thema gelingen. Das enthemmte und gleichsam kalkulierte islamistische Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 ist ein derartiges Thema, bei dem Sie in dieser Sendung ohne die üblichen musikalischen Beiträge auskommen müssen.

Sie hören in dieser Sendung einen Teil eines Vortrags von Mitte April 2024, organisiert vom Münchner Linken Bündnis gegen Antisemitismus. Der vollständige Vortrag findet sich auch in YouTube!

Oliver Vrankovic, der seit knapp 2 Jahrzehnten in Israel lebt und im Übrigen auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Stuttgart ist, beschreibt in seinem Vortrag, wie sich der Antisemitismus von allen Seiten, der Horror des 7. Oktober und die Ungewissheit über das Kommende auf die israelische Psyche niederschlagen. 

265 Queer ohne Jüdinnen und Juden

„Normalerweise versuche ich wegzuhören, mich abzulenken, außer Reichweite der Lautsprecher zu stehen. Eine seit Jahren auf dem Kreuzberger CSD notwendige Praxis, doch dieses Mal funktioniert sie nicht mehr, und ich sitze heulend in einem Hauseingang, weil ich deutlich die Botschaft höre: Als queere Jüdin bin ich hier nicht erwünscht, zumindest nicht, wenn ich mich nicht antizionistisch positioniere.“

Die Sendung basiert auf einem Beitrag aus dem Buch Judenhass Underground, erschienen im Hentrich & Hentrich Verlag. Der Autor ist Stefan Lauer.

An dem Diskurs beteiligen sich: Shygirl, Princess Nokia, Kari Faux, Rico Nasty, Megan Thee Stallion, Iggy Azalea, Ashnikko, Lady Lykez und Chippy Nonstop/Jhawk Productions

Tel Aviv Strand mit LGBTQ+ Fähnchen

264 Die Rückkehr der progressiven Abscheulichkeiten (Teil 2)

Bild von Bruce Emmerling auf Pixabay

Es gibt und gab schon immer auch eine andere Tradition, ein anderes Verständnis davon, was es bedeutet, »progressiv« zu sein und sich auf die Seite der Unterdrückten zu stellen, als die in dieser Sendung beschriebene antisemitische. 

Im Jahr 2011 veröffentlichte Fred Halliday auf der Plattform Open Democracy einen Aufsatz mit dem Titel »Terrorism in Historical Perspective«. Es ist das intellektuell und moralisch klarsichtigste Werk zu diesem Thema, das ich kenne. Halliday wandte sich an seine linken Genossen und brachte ein entscheidendes Argument vor: Jede Bewegung, die den Anspruch erhebt, ein unterdrücktes Volk zu vertreten, muss ethisch handeln, auch wenn sie nicht an der Macht ist und sich selbst als schwach empfindet. 

Sexuelle Folter kann nicht antiimperialistisch sein – und sie ist auch keine verständliche, geschweige denn unvermeidliche Reaktion auf Unterdrückung. Ein eliminatorisches Programm ist keine Freiheitscharta. Unterdrückung ist kein Freibrief dafür, Köpfe von Körpern abzutrennen, Hunderte junger Festivalbesucher zu erschießen, Menschen totzuschlagen, Kinder vor den Augen ihrer Eltern zu ermorden und umgekehrt, nackte Frauen aus nächster Nähe zu töten und Babys und alte Menschen zu entführen; es gibt kein politisches Universum, in dem dies revolutionäre, emanzipatorische oder antikolonialistische Taten sind, und schon gar nicht »schöne«. 

Sadismus und Gewalt sind nicht synonym! Die Geschichte hat immer wieder bewiesen, dass Terroristen und Freiheitskämpfer nicht dasselbe sind, weshalb Erstere nie etwas erreichen, das auch nur annähernd Befreiung oder Gerechtigkeit bedeutet. Es gibt keinen Platz für ein »Ja, aber«. Warum ist das, wenn es um den Tod von Israelis geht, so schwer zu verstehen? 

Es melden sich zu Wort: Ty Segall, Desert Sessions, Jack White, Red Fang, Voice of the Seven Thunders, Zu, Melvins, All Them Witches, The Midnight Ghost Train und Woven Hand.