Alle Beiträge von karo

265 Queer ohne Jüdinnen und Juden

„Normalerweise versuche ich wegzuhören, mich abzulenken, außer Reichweite der Lautsprecher zu stehen. Eine seit Jahren auf dem Kreuzberger CSD notwendige Praxis, doch dieses Mal funktioniert sie nicht mehr, und ich sitze heulend in einem Hauseingang, weil ich deutlich die Botschaft höre: Als queere Jüdin bin ich hier nicht erwünscht, zumindest nicht, wenn ich mich nicht antizionistisch positioniere.“

Die Sendung basiert auf einem Beitrag aus dem Buch Judenhass Underground, erschienen im Hentrich & Hentrich Verlag. Der Autor ist Stefan Lauer.

An dem Diskurs beteiligen sich: Shygirl, Princess Nokia, Kari Faux, Rico Nasty, Megan Thee Stallion, Iggy Azalea, Ashnikko, Lady Lykez und Chippy Nonstop/Jhawk Productions

Tel Aviv Strand mit LGBTQ+ Fähnchen

264 Die Rückkehr der progressiven Abscheulichkeiten (Teil 2)

Bild von Bruce Emmerling auf Pixabay

Es gibt und gab schon immer auch eine andere Tradition, ein anderes Verständnis davon, was es bedeutet, »progressiv« zu sein und sich auf die Seite der Unterdrückten zu stellen, als die in dieser Sendung beschriebene antisemitische. 

Im Jahr 2011 veröffentlichte Fred Halliday auf der Plattform Open Democracy einen Aufsatz mit dem Titel »Terrorism in Historical Perspective«. Es ist das intellektuell und moralisch klarsichtigste Werk zu diesem Thema, das ich kenne. Halliday wandte sich an seine linken Genossen und brachte ein entscheidendes Argument vor: Jede Bewegung, die den Anspruch erhebt, ein unterdrücktes Volk zu vertreten, muss ethisch handeln, auch wenn sie nicht an der Macht ist und sich selbst als schwach empfindet. 

Sexuelle Folter kann nicht antiimperialistisch sein – und sie ist auch keine verständliche, geschweige denn unvermeidliche Reaktion auf Unterdrückung. Ein eliminatorisches Programm ist keine Freiheitscharta. Unterdrückung ist kein Freibrief dafür, Köpfe von Körpern abzutrennen, Hunderte junger Festivalbesucher zu erschießen, Menschen totzuschlagen, Kinder vor den Augen ihrer Eltern zu ermorden und umgekehrt, nackte Frauen aus nächster Nähe zu töten und Babys und alte Menschen zu entführen; es gibt kein politisches Universum, in dem dies revolutionäre, emanzipatorische oder antikolonialistische Taten sind, und schon gar nicht »schöne«. 

Sadismus und Gewalt sind nicht synonym! Die Geschichte hat immer wieder bewiesen, dass Terroristen und Freiheitskämpfer nicht dasselbe sind, weshalb Erstere nie etwas erreichen, das auch nur annähernd Befreiung oder Gerechtigkeit bedeutet. Es gibt keinen Platz für ein »Ja, aber«. Warum ist das, wenn es um den Tod von Israelis geht, so schwer zu verstehen? 

Es melden sich zu Wort: Ty Segall, Desert Sessions, Jack White, Red Fang, Voice of the Seven Thunders, Zu, Melvins, All Them Witches, The Midnight Ghost Train und Woven Hand.

263 Die Rückkehr der progressiven Abscheulichkeiten (Teil 1)

Susie Linfield

Im Nachgang des größten Massakers an jüdischen Menschen seit der Shoa, am 7. Oktober des letzten Jahres durch die islamistische Hamas, hat sich weltweit gezeigt, auf welche Milieus sich Jüdinnen und Juden nicht verlassen können, wenn sie gegen ihre Auslöschung kämpfen müssen: auf sich links fühlende oder sich links gerierende sogenannte Zusammenhänge, die vom Antisemitismus – zumal dem eliminatorischen – nichts wissen wollen. Wir dagegen wollen Ihnen in dieser und der darauf folgenden Sendung der Redaktion 17grad das Essay der New Yorker Professorin Susie Linfield mit dem Titel „Die Rückkehr der progressiven Abscheulichkeiten“ zur Kenntnis geben. 

Susie Linfield ist außerordentliche Professorin am Arthur L. Carter Journalism Institute der New York University und leitet dort das Programm Cultural Reporting and Criticism. Zuvor war sie Kunstredakteurin der »Washington Post«, Chefredakteurin von »American Film« und stellvertretende Herausgeberin der Zeitschrift »Village Voice«.

Ihr Beitrag erschien im Januar in der Wochenzeitung jungle world und im Original Mitte November 2023 in der australischen Online-Publikation Quillette.

In dem Essay formuliert Linfield eine Abrechnung mit den schockierenden Reaktionen der globalen Linken auf das Massaker vom 7. Oktober. 

Die Abrechnung wird ergänzt durch Beiträge von: Guts Pie Earshot, King Gizzard & The Lizard Wizard, Liturgy, Machine Head, Body Count, Municipal Waste, Death Pill, Ceremony.

256 Diversity

Daria Nepriakhina

Seit vielen Jahren hält sich im Wirtschaftsleben die Prämisse, dass so genannte „gemischte Teams“ erfolgreicher und effizienter agieren, als homogene. Die gemischten Teams sind, so geht die Erzählung, leistungsstärker und insbesondere: innovativer. Ihre Problemlösungskompetenz ist höher, ihr Beitrag zur positiven Unternehmensentwicklung ausgeprägter.

Auf welche Merkmale sich nun die Mischung bezieht, variiert dabei. Es kann um Alter, um Geschlecht aber auch um ethnische Zuordnungen und weitere Themen gehen. 

In vielen Unternehmen, aber auch in der öffentlichen Verwaltung und in Organisationen der sozialen Arbeit werden seit langem Diversity-Trainings angeboten, um die innerorganisatorische Dynamik zur Bildung derartiger gemischter Teams zu befördern. 

Die Trainings richten sich häufig an die mittlere Führungskräfteschicht und machen in der Regel Themen rund um die ethnische Zuordnung zum Schwerpunkt. Dabei wird von der simplifizierenden Grundannahme ausgegangen, dass lediglich verinnerlichte individuelle Vorurteile und Stereotype der Potentialausschöpfung gemischter Teams im Weg stehen. 

Ob diese idealtypischen Teams überhaupt erfolgreicher wären oder sind und ob die vorgelagerten Diversity-Trainings nicht ihrerseits eine kulturalistische Segregation befördern, bleibt normalerweise unbesprochen.

Der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Dr. Sebastian Tillmann hat sich mit den Themen aus dem Blickwinkel der Organisationsforschung beschäftigt. Sein Beitrag „Diversity in der Praxis – zwischen Evidenz und Aktionismus“ ist die Basis dieser Sendung. Wer den vollständigen Aufsatz im Original lesen möchte, besorge sich den Band „Probleme des Antirassismus“ aus der Edition Tiamat. 

Besprochen wird das Thema auch mit: Queens of the Stone Age, Scott McMicken and The Ever-Expanding, My Baby, Depeche Mode, Arctic Monkeys, King Gizzard & The Lizard Wizard

255 Authentizität

Im Zuge der Auseinandersetzung mit identitären und essentialistischen Gesellschaftskonzepten von Links wie Rechts spielt ein Begriff eine wiederkehrende und erhebliche Rolle, dem wir auch in alltäglichen Sphären immer wieder begegnen: der Begriff des „Authentischen“, der „Authentizität“. Wer sich vorgeblich nicht verstellt, wer angeblich ungefiltert redet, wer seine Musik noch von Hand macht, gilt als authentisch. In vielen sozialen und politischen Milieus ist dieses Adjektiv positiv konnotiert. 

Es wird suggeriert, es gäbe einen unverrückbaren menschlichen Wesenskern, ein wahres Ich. Nicht, dass dieser Kern bei allen gleich wäre, ist die Annahme. Aber wenn sich die behauptete oder wenigstens angenommene Existenz dieses Kerns mit der Außenwirkung einer Person, ihrem Sprechen, ihrem Auftreten, ihrer Wirkung zu decken scheint, dann gilt das als authentisch und somit als gut und ehrlich.

Musikalische Eindeutigkeiten steuern bei: The Saxophones, Natalie Merchant, Bobby Bare Jr., The White Buffalo, Colter Wall, Courtney Barnett & Kurt Vile, Big Thief

Quelle: Boudewijn Boer, Malaysia

254 Die Arbeit nieder! (Teil 2)

Zweiter Teil, basierend auf dem Text des Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Stephan Grigat über den Arbeitsbegriff von rechts bis links und warum wir nicht mehr, sondern weniger und vor allem andere Arbeit brauchen.

Foto: Pop Zebra

Die Forderungen werden unterstützt von: DJ Python; Ali Kuru; Mandy, Indiana; Andre „Suku“ Gray; Ellen Allien & Apparat; My Baby und Daniel Haaksman.

Kritik der Bedürfnisse

– Abendvortrag und Tagesseminar am 26./27.05.2023 in München

Thomas Ebermann

Menschliche Bedürfnisse werden seit den 1950er-Jahren im Zusammenhang mit dem Schlagwort von der Konsumgesellschaft diskutiert. In der Umweltdebatte spielen Forderungen nach einem anderen Konsum, weniger Konsum oder gar Konsumverzicht eine große Rolle. Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges forderten Politiker*innen die Bevölkerung auf, weniger zu heizen und Strom zu sparen. Im Hintergrund steht dabei immer die Frage nach wichtigen und nebensächlichen, natürlichen und künstlichen, wahren und falschen Bedürfnissen.

Referent: Thomas Ebermann, Kabarettist, Journalist und Buchautor aus Hamburg. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Infos auf der Webseite des DGB Bildungswerks. In Kooperation mit den NaturFreunden München, der Rosa Luxemburg Stiftung Bayern/Kurt-Eisner-Verein und der left ecological association (Lea).

Abendvortrag: Freitag, 26.05.2023, 20:00-22:00 Uhr
Tagesseminar: Samstag, 27.05.2023, 10:00-17:00 Uhr

249 Von Ulbricht zu Erhard (Teil 1)

Sahra Wagenknecht als Brückenbauerin nach rechts

In dieser und den zwei darauf folgenden Sendungen entwerfen wir ein Triptychon zu einem allgegenwärtigen glamourösen Gespenst des Kommunismus. 

Wir beschäftigen uns mit Sahra Wagenknecht, mit ihrem ideologischen Werdegang, mit der Einordnung ihrer Kernthesen und mit der Frage, wo sie und ihre Anhänger und -innen denn im politischen Spektrum zu verorten sind.

Der Hamburger Argument-Verlag veröffentlicht in einer kleinen Reihe, die den schönen Titel „gestalten der faschisierung“ hat, die Auseinandersetzung eines Autorenkollektivs mit prominenten Personen, die zu dieser Überschrift passen. Bisher über Peter Sloterdijk, über Björn Höcke und eben über Sahra Wagenknecht. In dem ihr gewidmeten Band 2 zeichnet der Journalist Peter Bierl die Eckpfeiler des Wagenknechtschen Wirkens in der Öffentlichkeit nach. 

Musikalisch zeichnen ebenfalls: Isabella Lovestory, Ida Sand, Austra, Boys Noize & Rico Nasty, DJ Vadim feat. Sarah Jones, Leikeli47, Jenny Hval.

Bild: Danie Fanco