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121 Wirtschaft

Die Krise des Kapitalismus und gängige Erklärungs- u. Deutungsansätze.

Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

die Krise geht auch an unserem Magazin nicht spurlos vorüber. Vor lauter Prognosen und Erklärungen zu vergangenen, jetzigen und zukünftigen Wirtschaftsthemen wird einem ja manchmal ganz schummrig. Kaum hat man sich mit Begriffen wir Credit Default Swaps und Derivaten angefreundet, kaum hat man die gängigen Erläuterungsmuster für Immobilienblasen und Bankenkrisen zumindest grob verstanden, da sind wir schon wieder im nächsten Schlamassel: die Aussichten sind trübe, das Wort Rezession geistert durch die Gazetten, von der Euro-Krise ganz zu schweigen.

Als Dienstleistungsradio für die systemkritische Mittelschicht wollen wir uns in der heutigen Sendung mit den momentan häufig kolportierten Erklärungs- und Deutungsmustern des kapitalistischen Ist-Zustandes in Deutschland und Europa beschäftigen. Denn bei allem medialen Tahouwabou gibt es doch täglich wiederkehrende Topoi, die – egal ob durch TV-Börsenentertainerin, Kabarettist oder Tageszeitungspraktikant – immer wieder an die Kunden gebracht werden.

Und weil dieses Thema von einiger wenn nicht gar essentieller Bedeutung ist, haben wir uns dafür heute einen Experten ins Studio eingeladen, der uns bei der Interpretation der Interpretationen behilflich sein soll.

119 Kalender

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich im akademischen Betrieb die Diskussion über und die Analyse von popkulturellen Phänomenen findet:
Sei es im Bereich der Kommunikationswissenschaften die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Implikationen von Buffy the Vampire Slayer,
sei es die medientheoretische Aufarbeitung diverser Star Trek-Reihen,
sei es die universitäre Debatte über Unterscheidungen und Schnittmengen der kulturtheoretischen Begriffe Subkultur und Mainstream.

An der Ludwig-Maximilian-Universität in München hat nun vor wenigen Wochen ein Kurs der vergleichenden Literaturwissenschaften begonnen, in dem sich unter anderem mit der Radionovella Überall der Redaktion 17grad beschäftigt wird.
Der verantwortliche Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Murke geht darin sowohl auf Grundmuster und Hintergründe der gerade als DVD-Edition erschienenen Hörspielreihe ein, erläutert darüber hinaus allerdings auch Aspekte und Interpretationen, die gegebenenfalls auf den ersten Blick bzw, beim ersten Hören nicht aufgefallen sind.
Für die heutige Sendung hat uns Prof. Dr. Murke das Script seiner ersten Vorlesung zur Verfügung gestellt, aus dem wir in der folgenden Stunde zitieren wollen.

117 Sterne

Werte Zuhörerinnen und Zuhörer,

dass das kapitalistische Prinzip sich weltweit durchgesetzt hat, ist, das wissen Sie, monokausal nicht zu erklären. Genauso wenig wie weiland der Siegeszug des Videoformats VHS, obwohl es doch mit betamax ein wesentlich leistungsfähigeres gab. Oder: nehmen Sie die ebenfalls komplexe Welt der PC-Betriebssysteme, ein vielleicht noch näher liegendes Beispiel, wie irrational ab und an die Welt tickt. Quasi seit Jahrzehnten beherrscht mit Windows das schlechteste aller Operation Systems den Markt. Und das schlimmste: jetzt wo diese Welt etwas durcheinander gerät, zeichnet sich ja nicht etwa eine fundamentale Verbesserung ab, sondern mit Google erscheint die nächste monopolistische Grausamkeit am Horizont.
Aber zurück zum großen Ganzen. Wie soll unsereins mit dem alltäglich Wahnsinn, der ja nicht nur ein ökonomischer ist, umgehen, ohne depressiv, verrückt oder gänzlich lethargisch zu werden? Diese Frage bestimmt – Sie können es sich vorstellen – die Redaktionssitzungen im hübscher Regelmäßigkeit. „Prosa“ schallte es da beim letzten Zusammentreffen durch unsere üppigen Büroräume und nach dem ersten ungläubigen Staunen raunte eine andere Ecke des Think Tanks „Cortazar“ und niemand anderes.
Julio Florencio Cortazar, Neofantast, ein bisschen Surrealist, Konsument filterloser Zigaretten und Anhänger der kubanischen Revolution, erschuf im Jahr 1942, neun Jahre bevor er ins französische Exil ging, die Ihnen im Folgenden vorgetragene Geschichte „Die Sternenputzer“. Lehnen Sie sich zurück und schließen Sie die Augen. Aber bitte: vermeiden Sie das Blinzeln zwischendurch. Sie werden merken, warum.

115 Erich Mühsam

Liebe Zuhörerinnen, geschätzte Zuhörer: wenn jemand der ehemaligen Reichs- und heutigen nur –hauptstadt weniger zugetan ist als der Bayerischen, wenn einer Vegetarier und andere Abstinent- und Verzichtler verspottet, wenn er es schafft, sich sowohl mit anarchistischen als auch mit kommunistischen Organisationen zu überwerfen, ohne politischen Verve einzubüßen, dann kann das kein so schlechter Mensch sein. Gewesen sein, müsste man genauer sagen. Denn der Anarchist und gleichzeitige Bohemian Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Dieser Tage erscheint nun der erste Band seiner Tagebücher im Berliner Verbrecherverlag. Die Berliner Morgenpost nennt dies ein literarisches Mammutprojekt, immerhin sind insgesamt 15 Bände und damit ca. 7000 Seiten geplant. Wir nennen es – bodenständig wie wir sind – großartig, wollen aber, wenn es um den vollbärtigen Zausel aus Lübeck geht, der während der Münchner Räterepublik so einiges auf die Beine gestellt und unter die Tische getrunken hat, von der Prämisse der werbefreien Sendungen Abstand nehmen: Sie hören in der Folge eine Reklame in Reinkultur, eine Hommage an den Autor mit seinen eigenen Worten quasi. Kaufen Sie diesen und die folgenden 14 Bände. Und wenn Sie dann noch Barmittel übrig haben: Sie wissen ja, wo Sie unsere Spendenaktion „Pate 2.0“ im Netz finden.

113 Die Mitleidsindustrie

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, wir begrüßen Sie zur 113ten Folge 17grad – Radio zur Anhebung des allgemeinen Wohlbefindens.
In unserer heutigen Sendung wollen wir uns einem Thema widmen, das uns Mitteleuropäern noch jedes Mal die Tränen in die Augenwinkel treibt. Wir wollen uns mit nichts weniger beschäftigen als mit dem weltweiten menschlichen Leid. Oder präziser gesagt: mit den Personen, mit den Initiativen und den Organisationen, die sich den Kampf gegen dieses Leid auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wobei der Begriff „Kampf“ in diesem Zusammenhang dann doch eher unpassend zu sein scheint. Denn um gegen oder auch für etwas zu kämpfen, sollte man ja zumindest ansatzweise die Ursachen der Verhältnisse, gegen die man anzutreten vorgibt, analysiert und verstanden haben. Das kann man von den mannigfaltigen Organisationen und Initiativen, die weltweit gegen Hunger und Elend, gegen die Folgen von Katastrophen, Industrieunfällen und Kriegen antreten beziehungsweise diese Folgen einzudämmen versuchen, nicht immer behaupten.
Die Spendensammler, internationalen Helferkollektive, die karitativen Vereinigungen, die Hilfslieferservices und religiösen Unterstützerkomitees, sie alle sind schon aus Gründen des eigenen Raison d’être darauf angewiesen, dass fortwährend die medialen Bilder kolportiert werden, die einen ausreichenden Kapitalfluss für die gesamte Wertschöpfungskette der Hilfsökonomie sicherstellen.
Linda Polmann schreibt in ihrem Buch „Die Mitleidsindustrie“:

Spenden sie auch unter: www.weilwirdichbrauchen.de

107 Stuttgarter Bahnhof

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zu einer Stunde 17grad – Radio gegen die Regression der Antimoderne…

Warum setzen sich eigentlich derzeit so viele engagierte Bürgerinnen und Bürger für einen Architekten wie Paul Bonatz, genauer für den Erhalt eines seiner Bauwerke ein, wo Bonatz doch den reaktionären, antimodernen Zug deutscher Architektur repräsentiert? Da wir immer bestrebt sind, das Gute im Menschen zu sehen, ja, die Hoffnung nicht aufgeben, dass das Licht der Aufklärung irgendwann auch das schwäbische Hinterland erreichen könnte, möchten wir Ihnen in der folgenden Stunde ein wenig von Paul Bonatz, seinem Beitrag zur Architektur des Nationalsozialismus und seinen mangelnden Sinn für Ästhetik berichten.

105 Lyr-Ick

Hallo und herzlich willkommen zu einer Stunde 17grad, Radio gegen den Kulturverfall.

Es liegen anstrengende Wochen hinter uns, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Wochen, in denen die Redaktion sich durch Berge von Einsendungen zu unserem Wettbewerb „Junge deutsche Lyrik“ wühlen musste. Wochen, in denen das ein oder andere Mal ein „Scheiß doch auf Reime!“ aus den Tiefen der Redaktionsräume zu hören war. Aber auch Wochen, in denen uns immer wieder das Herz aufging, in denen es Momente von unglaublicher Schönheit und Poesie gab.

Heute nun ist es so weit, heute dürfen wir Ihnen unsere Shortlist des 17grad Lyrikpreises 2010 präsentieren. Unter dem Motto „Lyr-Ick“, also geschrieben Lyr, L Y R, wie Lyrik und „Ick“, I C K, wie der junge hippe Berliner für „Ich“ zu sagen pflegt. Aufgerufen waren also junge Künstlerinnen und Künstler, die daran glauben, dass Lyrik, Poesie, dass Dichtung auch im 21. Jahrhundert noch etwas zu melden hat. Ja nicht nur dass, sondern dass sie benötigt wird, dass sie uns entführen kann, in eine Welt der Schönheit und der Träume. Dass sie aber auch Missstände anprangern kann, dass sie sie sagen kann, wie einer der Wettbewerbsteilnehmer schreibt: „Moment mal, so kann das nicht weitergehn, da fällt ein Sack Reis um und keiner bliebt stehn“ – ein Beitrag, der es leider nicht in die Shortlist geschafft hat, der uns aber dennoch in seinem authentischen Aufbegehren tief beeindruckt hat.

Die Auswahl ist uns nicht leicht gefallen, das können Sie uns glauben, doch nun übergeben wir die leidige Aufgabe an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer. Mailen Sie uns die Nummer Ihres Favoriten an chefredaktion@17grad.net. Dem Gewinner winkt der goldene Ehrenwimpel der 17grad Academy und ein Essenspaket des Deutschen Blutspendediensts.

101 FIFA

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer Stunde 17grad – Radio wider den Sportsgeist.

In wenigen Wochen beginnt in Südafrika die Fußball-Weltmeisterschaft.

Dass Schwarz-Rot-Goldene Horden beileibe nicht das einzige sind, was beim Kräftemessen der nationalen Mannschaften zum Brechen reizt, damit beschäftigen wir uns in den kommenden 60 Minuten: Wir erzählen Ihnen die unrühmliche Geschichte der FIFA bei den nicht weniger unrühmlichen Fußballboykotten gegen Israel und einige andere politische Kuriositäten.

96 Heimatfilm

Liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer, zum dritten Mal 60 Minuten, 60 Jahre Deutschland, heute für Sie, in Ihrem Auftrag, wieder in den Äther geschickt, von Ihrer 17 grad Redaktion.

Vorab in eigener Sache: wir wollen uns intensiv bei Ihnen für Ihr starkes Interesse am Brettspiel „Germanomanie, das wir in unserer Letzten Sendung vorgestellt haben, bedanken. Für die Verzögerungen bei der Zustellung können wir uns leider nicht entschuldigen. Sie müssen wissen dieses Brettspiel wird in akribischer, den deutschen Tugenden entsprechenden Weise, mit deutschen, nachwachsenden Erzeugnissen in Handarbeit in der ehemaligen DDR hergestellt. Wir stehen in engem Kontakt mit der Verlagsanstalt Ravensbrück und geben unser Bestes, Ihnen auch nach der Wahl zu dienen.

Kehren wir zur heutigen 60M x 60J =Deutschland Sendung zurück. Bitte liebe Zuhörerinnen und Zuhörer machen Sie für die Dauer dieser Sendung die Augen zu und stellen Sie sich eine deutsche, unberührte, saftig grüne Landschaft vor, die von farbfroher Idylle nur so trieft.
Haben Sie es erraten wo sie sind? Ja, Sie befinden sich nun in der Natur oder besser in der deutschen Natur, eines, der von reinrassigen Deutschen Filmschaffenden von Göbbels Gnaden, produzierten Heimatfilme nach 45.

Bitte verweilen Sie darin, während wir uns die Frage stellen, Wo sind die Soldaten, die “Spuren, Splitter und Trümmer”, die Verstümmelten, die Nazis, und…die Lücke.

Wen oder was versucht der deutsche Nachkriegsfilm zu verstecken?
Mit Julia Anspachs Arbeit „Antisemitische Stereotype im deutschen Heimatfilm nach 1945“ gehen wir auf die Suche. Wir zeigen anhand von drei Filmen, wie die Natur der Heimat als Leinwand alles Zuvor geschehene zudeckt, verhüllt und versteckt.

„Das Neue, eine Leerstelle des Bewußtseins, gleichsam geschlossenen Auges erwartet, scheint die Formel, unter der dem Grauen und der Verzweiflung Reizwert abgewonnen wird. Sie macht das Böse zur Blume“.

Bleiben Sie Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer weiter entspannt vor Ihren Volksempfängern auf ihren Sitzen sitzen und hören Sie nun…

94 Deutschlandspiel

60 Jahre Deutschland, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dies ist auch heute wieder das Motto der kommenden 60 Minuten auf Ihrer Lieblingsfrequenz.

Um uns und Ihnen bei dem Thema eine kleine Auszeit von ständiger Nörgelei zu gönnen, wollen wir uns heute dem Gegenstand des Unbehagens einmal im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch nähern. Dafür haben wir uns auf die Suche nach Gesellschaftsspielen gemacht, die in irgendeiner Form mit Deutschland zu tun haben und sind dabei auf das fantastische Brettspiel „Germanomanie“ aus der Verlagsanstalt Ravensbrück gestoßen.

Das Spiel besteht aus einem 100 x 100 cm großen Spielbrett, einer original peenemünder Sanduhr, einem Paar zehnseitiger Würfel, dem Sonnenrad der Zeit, einem großen Stapel von Aktionskarten, die farblich den jeweiligen Zeitzonen zugeordnet sind, einem Lösungsbuch und für jede Mitspielerin und jeden Mitspieler eine Tugendstange, auf die die zahlreichen Tugendringe gesteckt werden. Sie dient zugleich als Spielfigur.

Ziel des Spieles ist es, so viele Tugendringe wie möglich auf der Tugendstange aufzureihen. Gewonnen hat, wer mit den Tugendringen die oberste Farbe seiner Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot angemalten Tugendstange erreicht hat und darf direkt nach Walhalla einziehen.

Ob der Spieler mit einer Schwarz-Rot-Goldenen oder einer Schwarz-Weiß-Roten Stange spielt, entscheidet er vor Beginn des Spiels.

Taktiktipp:

Die beiden Tugendstangenarten sind zwar unterschiedlich hoch, allerdings heißt das nicht, dass die kleinere Schwarz-Rot-Goldene leichter zu spielen ist, da die Aufgaben und Abläufe auf dem Spielbrett die Wahl dieser Stange honoriert.

Das Spielbrett mit seinen 128 Spielfeldern ist in vier historische Zeitzonen aufgeteilt.

Diese sind: a) das 1000 jährige Reich, b) die Bundesrepublik, c) die Deutsche Demokratische Republik / Kurz: drüben und d) Klein-Groß-Deutschland.

Die Spielfelder erklären entweder direkt Aktionen, die die Spielerin oder der Spieler ausführen muss, oder verweisen auf zu ziehende Aktionskarten. Kommt man in seiner Zeitzone nicht zurecht bzw. gestaltet sich das Sammeln der Tugendringe schwer, kann man auf den so genannten Warp-Feldern – und NUR auf diesen – die Zeitzone wechseln. Dazu muss der Spieler zunächst würfeln und dabei eine Zahl zwischen 33 und 45 erreichen. Schafft er dies nicht, verliert er einen Tugendring für Verrat und muss in seiner Zeitzone bleiben. Schafft er die geforderte Würfelzahl, dreht er am Rad und setzt seine Spielfigur in die Zeitzone, die das Sonnenrad der Zeit anzeigt. Er behält allerdings die Tugendstange, die er sich vor Beginn ausgesucht hat.

Taktiktipp:

Logischerweise ist es mit einer Schwarz-Weiß-Roten Stange schwieriger, in der Zeitzone BRD an Tugendringe zu kommen. In der Zeitzone Klein-Großdeutschland wiederum wird das Sammeln der Tugendringe für Schwarz-Weiß-Rote wieder einfacher. Überlegen Sie also gut, in welcher Zone Sie auf Tugendjagd gehen wollen.

Die original peenemünder Sanduhr kommt bei der Beantwortung der auf den Aktionskarten gestellten Fragen zum Einsatz. Sie begrenzt die Antwortzeit auf 30 Sek. Die Bewertung der Antwort erfolgt über das beiliegende Lösungsbuch.

Nr 94 – Deutschlandspiel