Alle Beiträge von matze

130 Wünsch Dir Was

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, oder für diese Sendung besser: liebe Zielgruppe,
Sie werden sich erinnern, in der letzten Sendung hatten wir Sie aufgefordert, eigene Themenvorschläge für die heutige Sendung einzureichen, denn die Chefredaktion hatte beschlossen, dass wir die Interaktion mit Ihnen intensivieren müssen.
Dem Aufruf sind viele von Ihnen gefolgt und haben uns auf allen Rückkanälen mit einer Fülle von Anregungen versorgt, die wir heute aufgreifen. Wir danken allen, die uns über Facebook, Twitter, per Mail und einige gar per Postkarte mit ihren Wünschen versorgt haben. Dies ist Ihre Sendung.
All jene, die heute noch nicht zum Zug gekommen sind, versprechen wir, die Aktion „Wünsch Dir ein Thema, 17grad setzt es adäquat um“ gelegentlich zu wiederholen.

128 Ramones

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wieder einmal begrüßen wir Sie zu einer Stunde 17grad – Radio zur Wiedererlangung der Deutungshoheit.

Aus vielen Umfragen und Erhebungen wissen wir, liebe Rezipienten, dass Sie so ungefähr in unserem Alter sind und auf ähnliche lebensweltliche Erfahrungen zurückgreifen wie die meisten unserer Redaktionsmitglieder. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie waren, als an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika der Punk erfunden wurde, in einem Alter, in dem Sie kulturelle Unangepasstheit für aufregend hielten, in dem Sie sich – fortwährend oder sporadisch – Gedanken über gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse machten. Sie interessierten sich für Anarchismus, Alkoholkonsum und waren sich recht sicher, dass das alles so nicht ewig weitergehen würde. Was auch immer. Aus diesen Umfragen, aber auch durch unsere Facebook-Aktivitäten wissen wir eine Menge über Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Und deswegen, quasi aus Quotengründen, möchten wir Sie heute an die Hand nehmen und mit Ihnen dreieinhalb Dekaden zurückgehen. Ins New York der Mitsiebziger Jahre des letzten Jahrtausends.

126 Murder

In Deutschland, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hat man sich mittlerweile dann doch ein wenig daran gewöhnt, dass in dem einen oder anderen Ort Juden ansässig sind. Und auch, wenn ein partiell kluger Mann einen noch klügeren einmal mit den Worten zitiert hat: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“ ist doch, was das Thema angeht, eine gewisse, nennen wir es: Routine eingekehrt, im Verhältnis von Teutonia und Synagoge.

Es gibt Gedenkfeiern und Ansprachen, Städtepartnerschaften und Steh-Empfänge, Mahnmale und Kochbücher für die koschere Küche.

Ein bisschen aufgeregter wird das Ganze schon noch, wenn der jüdische Staat in den Fokus des deutschen Betrachters gerät. In der zurückhaltenderen Variante emotional-humanistischer Politgefühlsaufwallung darf Israel zwar weiter existieren, sollte sich bei der Verteidigung seiner Einwohner aber merklich zurücknehmen. Überhaupt ist das Bild des sich selbst verteidigenden Juden offensichtlich für viele schwerer zu ertragen als die Ornamente der Opfer im Zuge der Befreiungen der Konzentrationslager.

Dass das Bild des wehrlosen Juden ein zwar häufig goutiertes aber eben doch nur ein Klischee ist, belegen nicht nur die jüdischen Brigaden in der britischen Armee während der II. Weltkriegs, sondern auch die Geschichte jüdischer Gangster Anfang des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten. Rich Cohen hat in seinem Buch Murder Incorporated die Historie eben jener Szenerie jüdischer Mobster respektive Mafia eindrucksvoll und vor eigenem familiären Hintergrund beschrieben. Einer der bekanntesten und in vielen Filmen und Serien Beschriebener dürfte dabei Meyer Lansky sein. In der folgenden Stunde wollen wir Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, jene Szenerie näher bringen, die in ihrer Umgehensweise mit Faschisten durchaus auch für die heutige Zeit von einigem Interesse sein könnte.

124 EM

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von 51° – Der Sendung rund um den Ball. Ja, ihr habt richtig gehört: dank der Unterstützung durch unsere Gastredaktion aus der Hauptstadt der ewigen Zweitligisten ist 17° heute dreimal so gut. Und dreimal so schnell: während die anderen ihre EM erst in den nächsten Wochen abhalten, dreht sich bei uns bereits heute alles um das runde Leder.

Ein Feuilletonist der Süddeutschen Zeitung sinnierte einmal, das Bedürfnis nach einer Einheit von Zeit, Ort und Handlung sei in früheren Epochen etwa von Gladiatorenkämpfen oder dem klassischen griechischen Drama erfüllt worden. Heute hingegen spiele der Fußball diese Rolle, und dass sei auch der Grund für seine enorme und ungebrochene Popularität.

Die teilweise unbändig anmutenden Emotionen, die sich bei nationalen und internationalen Fußballereignissen entladen und sich etwa in martialischen sogenannten „Schlachtgesängen“ manifestieren (allen voran das deutsche „Sieg!“) zeugen tatsächlich von solch archaischen Emotionen. Verhindert das
Fußballspiel, dass diese in Krieg oder andere Formen der gewaltsamen Auseinandersetzung umschlagen? Ist das Fußballspiel also eine zivilisatorische Errungenschaft, Teil eines cultural engeneering, das – wenn auch oft vergeblich – versucht, solche Gefühle zu kanalisieren?

Liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer: bleibe am Apparat.

123 Buchmesse

Buchmessen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, sind eine aufregende Sache. Selbst wenn man gar nicht vor Ort ist, weil einem das bildungsbürgerliche Gewusel auf den Keks geht oder die Hotelzimmerpreise nicht zur aktuellen Einnahmesituation passen.

Im Vorfeld derartiger Veranstaltungen gibt es eine Fülle von Literaturbeilagen in der Tagespresse, das Feuilleton überschlägt sich mit Lobpreisungen und Verrissen, Auszeichnungen werden vergeben, überall wird das Hohelied des Buchdrucks gesungen, kurzum: die schreibende Zunft wirkt immer ein bisschen aufgeregt und wir nutzen die Gelegenheit, ob der zweifellosen Vielfalt der präsentierten Lesevorschläge einen Blick in unsere häuslichen und umfangreich bestückten Ikea-Regale zu werfen und uns zu fragen, ob man nicht das ein oder andere Exemplar holzhaltiger Bedruckstoffe entsorgen sollte. Wie eigentlich jedes Jahr landen die besonders schlecht formulierten, langweiligen oder gar ärgerlichen Bücher natürlich nicht im Müllcontainer. Sie wandern einer unerklärlichen Gewissensentscheidung folgend in die Abstellkammer, die nie benutzte Flohmarktkiste oder, dem Unfug der Tauschringe nicht unähnlich, im Treppenhaus mit dem Hinweis „zu verschenken“.

Es gibt natürlich auch Werke, die man zwar zunächst aus ihrer angestammten Umgebung reißt, nur um sie dann wieder vorsichtig zurückzustellen, ein fast lautloses „nein, Du nicht“ auf den Lippen. Meistens hat man vorher einen kurzen Blick hineingeworfen und festgestellt, dass man sich a) kaum an den Inhalt erinnert und deshalb eigentlich sofort genau dieses Buch erneut lesen müsste, oder b) sowieso noch nie reingeschaut hat, obwohl Maike vor sechs Jahren beim Geburtstagsessen eine so engagierte Widmung in den Umschlag gekritzelt hat.

So, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, erging es uns anlässlich der gerade zu Ende gegangen Buchmesse. Wir stöberten also in diesem und in jenem Wälzer, rieben uns manchmal verwundert die Augen, welche Perlen des Wahnsinns sich in unserem Besitz befanden, um ein andermal erfreut unser noch immer einziges Lieblingsbuch herauszuziehen und genüsslich Zitat an Zitat zu reihen.

An diesem für uns wahrlich erhebenden Schauspiel wollen wir Sie nun teilhaben lassen, ergänzt um die Standardformulierungen der Rezensionsindustrie, denn: so oder so ähnlich trägt es sich zu. Täglich. Überall.

121 Wirtschaft

Die Krise des Kapitalismus und gängige Erklärungs- u. Deutungsansätze.

Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

die Krise geht auch an unserem Magazin nicht spurlos vorüber. Vor lauter Prognosen und Erklärungen zu vergangenen, jetzigen und zukünftigen Wirtschaftsthemen wird einem ja manchmal ganz schummrig. Kaum hat man sich mit Begriffen wir Credit Default Swaps und Derivaten angefreundet, kaum hat man die gängigen Erläuterungsmuster für Immobilienblasen und Bankenkrisen zumindest grob verstanden, da sind wir schon wieder im nächsten Schlamassel: die Aussichten sind trübe, das Wort Rezession geistert durch die Gazetten, von der Euro-Krise ganz zu schweigen.

Als Dienstleistungsradio für die systemkritische Mittelschicht wollen wir uns in der heutigen Sendung mit den momentan häufig kolportierten Erklärungs- und Deutungsmustern des kapitalistischen Ist-Zustandes in Deutschland und Europa beschäftigen. Denn bei allem medialen Tahouwabou gibt es doch täglich wiederkehrende Topoi, die – egal ob durch TV-Börsenentertainerin, Kabarettist oder Tageszeitungspraktikant – immer wieder an die Kunden gebracht werden.

Und weil dieses Thema von einiger wenn nicht gar essentieller Bedeutung ist, haben wir uns dafür heute einen Experten ins Studio eingeladen, der uns bei der Interpretation der Interpretationen behilflich sein soll.

119 Kalender

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich im akademischen Betrieb die Diskussion über und die Analyse von popkulturellen Phänomenen findet:
Sei es im Bereich der Kommunikationswissenschaften die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Implikationen von Buffy the Vampire Slayer,
sei es die medientheoretische Aufarbeitung diverser Star Trek-Reihen,
sei es die universitäre Debatte über Unterscheidungen und Schnittmengen der kulturtheoretischen Begriffe Subkultur und Mainstream.

An der Ludwig-Maximilian-Universität in München hat nun vor wenigen Wochen ein Kurs der vergleichenden Literaturwissenschaften begonnen, in dem sich unter anderem mit der Radionovella Überall der Redaktion 17grad beschäftigt wird.
Der verantwortliche Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Murke geht darin sowohl auf Grundmuster und Hintergründe der gerade als DVD-Edition erschienenen Hörspielreihe ein, erläutert darüber hinaus allerdings auch Aspekte und Interpretationen, die gegebenenfalls auf den ersten Blick bzw, beim ersten Hören nicht aufgefallen sind.
Für die heutige Sendung hat uns Prof. Dr. Murke das Script seiner ersten Vorlesung zur Verfügung gestellt, aus dem wir in der folgenden Stunde zitieren wollen.

117 Sterne

Werte Zuhörerinnen und Zuhörer,

dass das kapitalistische Prinzip sich weltweit durchgesetzt hat, ist, das wissen Sie, monokausal nicht zu erklären. Genauso wenig wie weiland der Siegeszug des Videoformats VHS, obwohl es doch mit betamax ein wesentlich leistungsfähigeres gab. Oder: nehmen Sie die ebenfalls komplexe Welt der PC-Betriebssysteme, ein vielleicht noch näher liegendes Beispiel, wie irrational ab und an die Welt tickt. Quasi seit Jahrzehnten beherrscht mit Windows das schlechteste aller Operation Systems den Markt. Und das schlimmste: jetzt wo diese Welt etwas durcheinander gerät, zeichnet sich ja nicht etwa eine fundamentale Verbesserung ab, sondern mit Google erscheint die nächste monopolistische Grausamkeit am Horizont.
Aber zurück zum großen Ganzen. Wie soll unsereins mit dem alltäglich Wahnsinn, der ja nicht nur ein ökonomischer ist, umgehen, ohne depressiv, verrückt oder gänzlich lethargisch zu werden? Diese Frage bestimmt – Sie können es sich vorstellen – die Redaktionssitzungen im hübscher Regelmäßigkeit. „Prosa“ schallte es da beim letzten Zusammentreffen durch unsere üppigen Büroräume und nach dem ersten ungläubigen Staunen raunte eine andere Ecke des Think Tanks „Cortazar“ und niemand anderes.
Julio Florencio Cortazar, Neofantast, ein bisschen Surrealist, Konsument filterloser Zigaretten und Anhänger der kubanischen Revolution, erschuf im Jahr 1942, neun Jahre bevor er ins französische Exil ging, die Ihnen im Folgenden vorgetragene Geschichte „Die Sternenputzer“. Lehnen Sie sich zurück und schließen Sie die Augen. Aber bitte: vermeiden Sie das Blinzeln zwischendurch. Sie werden merken, warum.

115 Erich Mühsam

Liebe Zuhörerinnen, geschätzte Zuhörer: wenn jemand der ehemaligen Reichs- und heutigen nur –hauptstadt weniger zugetan ist als der Bayerischen, wenn einer Vegetarier und andere Abstinent- und Verzichtler verspottet, wenn er es schafft, sich sowohl mit anarchistischen als auch mit kommunistischen Organisationen zu überwerfen, ohne politischen Verve einzubüßen, dann kann das kein so schlechter Mensch sein. Gewesen sein, müsste man genauer sagen. Denn der Anarchist und gleichzeitige Bohemian Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Dieser Tage erscheint nun der erste Band seiner Tagebücher im Berliner Verbrecherverlag. Die Berliner Morgenpost nennt dies ein literarisches Mammutprojekt, immerhin sind insgesamt 15 Bände und damit ca. 7000 Seiten geplant. Wir nennen es – bodenständig wie wir sind – großartig, wollen aber, wenn es um den vollbärtigen Zausel aus Lübeck geht, der während der Münchner Räterepublik so einiges auf die Beine gestellt und unter die Tische getrunken hat, von der Prämisse der werbefreien Sendungen Abstand nehmen: Sie hören in der Folge eine Reklame in Reinkultur, eine Hommage an den Autor mit seinen eigenen Worten quasi. Kaufen Sie diesen und die folgenden 14 Bände. Und wenn Sie dann noch Barmittel übrig haben: Sie wissen ja, wo Sie unsere Spendenaktion „Pate 2.0“ im Netz finden.